Ein Grundlagenartikel zur medienpädagogischen Arbeit mit Zocker!nnen
Wollen wir mit Kindern und Jugendlichen medienpädagogisch arbeiten, kommen wir um das Thema Gaming nicht herum. Erwachsene sorgen sich, wenn Kinder augenscheinlich „nur“ und „viel zu viel“ vor ihren Geräten sitzen, während Kinder und Jugendliche doch „nur“ mal ne Runde zocken wollen. Die Fronten zwischen den Generationen verhärten sich schnell, wenn es um’s Gaming geht.
Geht es um den bewussten Umgang mit Medien, müssen wir wissen, was eigentlich Sache ist. Was tun Gamer!nnen die ganze Zeit? Wovon reden sie? Warum spielen so viele Menschen am Computer? Wie kann ich mit Kindern und Jugendlichen über das Thema reden und pädagogisch arbeiten? Dieser ausführliche Grundlagenartikel der Gaming-Serie kann dabei helfen. Zum Einstieg ins Thema empfehle ich den MekoTalk mit Zeyni über Gamingklischees und Community, Gamingsprache, Spielentwicklung und warum wir eigentlich so gerne spielen.
Gaming Wissen 2 Go
Das wichtigste zuerst: Zocker ist nicht gleich Zocker! Nicht jeder Spieler* ist ein Zocker! Nicht jeder ist gleich süchtig und nicht jeder Shooter-Spieler ist potenzieller Amokläufer! Legen wir unsere Vorurteile ab, erkennen wir, wie viele Menschen eigentlich spielen. Schon immer.
Menschen haben einen natürlichen Spieltrieb: Wir lernen durch spielen, wir beschäftigen uns, wir probieren verschiedene Rollen aus, wir ziehen uns in andere Welten zurück. Menschen spielen viel und sehr individuell.
Begriffe und Genre
So vielfältig die Spielenden sind, so vielfältig ist auch das Angebot: Neben unzähligen analogen Spielen (Brett, Würfel, Karten, Stift und Zettelspielen) hat uns die technische Entwicklung eine weitere, fast unendlich große, Spielwiese eröffnet: Es gibt Spiele fürs Smartphone, für den Computer und die Konsole. Es gibt Spiele für den Game Boy (Pocket, Colour, DS, Switch), Game Cube, Xbox, Wii, Playstation und diese Konsolen haben jeweils ihre verschiedenen Modelle und Spielmöglichkeiten. Spiele können online und offline gespielt werden, alleine, gegen die Maschine (PvE-Modus) und im Multiplayer (PvP-Modus). Und mal sehen, was uns VR und Augmented Reality noch weiter bescheren wird.
Die Grafik reicht von kleinen Pixelpunkten zu 3D-Animationen mit echten Schauspielerinnen. Es gibt unterschiedliche Spielarten und Genre und es kommt auch auf unseren Typ und Geschmack an, was uns anspricht.
Adventure und Storygames: In diesen Spielen steht die Geschichte im Vordergrund. Oftmals muss die Spielende mit ihrem Charakter mit Anderen reden und Entscheidungen treffen. Bei Adventuregames steht zusätzlich das Abenteuer, also auch die Spannung und das Erlebnis, im Vordergrund.
Shooter (1st, 3rd Person): Shooter sind auch als Baller- oder Schießspiele bekannt. In erster Linie ist es aber ein Strategiespiel. Es geht darum, sich mit GegnerInnen zu messen, sie abzuschießen und zu besiegen. Es gibt die Ego-Shooter-Perspektive, die dich das Spiel „durch deine eigenen Augen“ sehen lässt. Die 3rd Person-Perspektive zeigt den Spielcharakter.
Jump and Run: Der Name verrät: Es geht um rennen und springen. Der Charakter muss Hindernisse überwinden und Dinge einsammeln. Eingebettet ist das Ganze oftmals in eine kleinere Geschichte. Im Englischen wird diese Spielart oftmals als platform – games bezeichnet.
EscapeGames: Bei EscapeGames gilt es, Rätsel zu lösen, um weiter zu kommen. Wir sind in Räumen gefangen und müssen verschiedene Wege finden, um an die Schlüssel zu gelangen, um den Raum verlassen zu können. Diese Spiele gibt es als Onlinespiele, als Kartenspiele und als „echte“ Spiele in buchbaren Escape-Rooms.
Aufbauspiele: Welten selbst kreieren, Städte bauen und entwickeln, Handelsrouten aufbauen, eine Zivilisation gestalten. Das sind im Grunde die Elemente der Aufbauspiele. Manchmal gilt es dann, die eigene Zivilisation gegen eine andere zu verteidigen oder Frieden zu schließen.
Rollenspiel: Andere Welten, Charakter-Klassen, Magie. Spielende versetzen sich in Charaktere einer anderen Welt und spielen dessen Geschichte. Rollenspiele sind wieder untergliedert in Spielgenre, sie gibt es online und offline, an Computer und Konsolen, sowie auf Zettel und Stift.
Sport: Ob Leichtathletik, Boxen, Tennis, Autorennen oder Fußball – Sportgames sind Klassiker unter den Spielen. Sie funktionieren wie die Spiele im realen Leben. Mittlerweile ist E-Sport auch in manchen Ländern als offizieller Sport anerkannt.
Die wichtigsten Spiele der letzten Jahre
Im MekoTalk mit Zeyni sind schon viele Namen gefallen und auch im pädagogischen Kontext hören wir immer wieder Namen von Spielen. In einer Fortbildung habe ich mit pädagogischen Fachkräften eine Liste mit diesen Spielen begonnen, die sehr gerne weitergeführt werden kann. Außerdem gibt es hier noch weitere Listen vom bmfsjf zu Computerspielen, die pädagogisch beurteilt wurden.
Bei dieser Vielfalt ist es unmöglich und viel zu einfach, alles nur unter den Begriff „Gaming“ zu packen. Wollen wir wissen, was beispielsweise Kinder und Jugendliche an den Geräten machen, müssen wir genau hinsehen. Das bedeutet: FRAGEN und miteinander reden!
Welcher Spieltyp bist du? Was spricht dich an? Warum spielst du? Was spielst du und was gefällt dir daran? Was ist ein richtig gutes Spiel? Was ist dein Lieblingscharakter? Welche Fähigkeit hättest du gerne in der echten Welt? Sprecht über eure Erfahrungen, tauscht euch aus und lacht viel dabei! Denn meine Erfahrung an dieser Stelle ist: Es wird nicht nur gerne gespielt – es wird auch verdammt gerne darüber geredet. Viel Spaß dabei.
Gaming Pädagogik
Warum spielen Menschen und was bringt Zocken? Das ist im Grunde individuell, mensch lenkt sich ab und reagiert sich ab, mensch probiert aus, mensch erkundet, hat Spaß und lernt. Trainiert wird die Auge/Hand – Koordination, Geduld und Ausdauer, Reflexe und Reaktionsvermögen, Wahrnehmung und Auffassungsgabe, auch Verhandlung, Taktik und Strategie, Gedächtnis- und Verknüpfungsleistung, Umgang mit Erfolg und Niederlage, Teamfähigkeit. Rollenbilder und Fähigkeiten werden ausprobiert. Auch Moralvorstellungen werden auf die Probe gestellt, Zeiten und Welten durchlebt. Kurz: Aus dem Spiel können wir sehr viel für unser Leben mitnehmen.
Wie bei allen Dingen geht es auch beim Zocken um die Balance. Spiel- und Onlinesucht sind anerkannte Süchte, die behandelt werden sollten. Klicksafe hat dazu einen Themenbereich erstellt, mit Tipps für Eltern und einer Liste mit Hilfsangeboten. Zu einem gesunden Konsum gehört auch mal auszumachen, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen und das eigene soziale Leben nicht zu vernachlässigen. Eltern können hier versuchen, Regelungen mit ihren Kindern zu verhandeln. Schwierig wird es, wenn die Spielwelt mehr Anreize schafft, als die reale Welt. Auch hier also ein Appell an die Gesellschaft, mehr füreinander dazusein!
Das Thema Gaming liegt bei Kindern und Jugendlichen auf der Hand und kann und sollte pädagogisch aufgegriffen werden, sei es über Gespräche oder konkrete Angebote: Wie wäre ist mit einer eigenen Spielentwicklung mit den Schülis? Oder Rollenspiel-AGs? Oder Rollenspiel als pädagogische Methode? Es gibt auch MedienpädagogInnen, die für solche Projekte angefragt werden können, zum Beispiel bei der Initiative Creative Gaming e.V. Für pädagogische Fachkräfte gibt es einiges an Hintergrundmaterial online. Auf dem Medienpädagogik-Praxisblog gibt es Artikel zu Plattformen zur Spieleentwicklung mit Kindern oder zum Thema Ingame – Käufe. Das Projekt Medienkompetent mit Digitalen Spielen ist eine Sammlung mit Konzepten und Methoden. Das JFF hat eine interessante Sammlung auf der eigenen Games-Website mit verschiedenen Publikationen. Erwähnenswert ist auch die Stiftung für Digitale Spielekultur mit breiten Projekt-Angeboten und Informationen, beispielsweise der Kompetenzwebsite Digitale-Spielewelten.de. Das Schönste beim pädagogischen Arbeiten zum Thema Gaming ist doch eigentlich: Beim Spielen können Erwachsene sich wieder ein bisschen wie Kinder fühlen und begeistert mitmachen. Spaß haben und spielen – darum geht es doch letztendlich, oder?
Noch nicht genug vom Thema Gaming? Hier geht’s zu den anderen Artikeln der Gaming Serie: der feministische MekoTalk mit Zeyni, und die Methode der Selbstreflexion.
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