Fotos als kinderleichter Einstieg in die Medienwelt

Wie bringe ich Kindern am besten den Umgang mit Medien bei? Leichte Frage, viele Antwortmöglichkeiten. Meine Antwort ist oft: „Indem wir selbst Medien machen – und zwar im Grunde wie die Profis“. Ein wunderbares Einstiegsmedium ist das Bild. Es eignet sich auch hervorragend für kleine, einfache Medienprojekte mit Kindern und Jugendlichen. Denn egal ob Foto, Video, Werbung, Comic, oder Kinofilm, Bilder sind allgegenwärtig und bieten unheimlich viele Anknüpfungspunkte, um sich mit der Medienwelt zu beschäftigen.

Und damit herzlich willkommen in der großartigen Welt der Bilder. Wie Kinder an das Medium herangeführt werden können, welche Übungsmöglichkeiten es gibt, welches Hintergrundwissen pädagogische Fachkräfte brauchen und welche Kompetenzen Kinder mitnehmen können, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Das Auge der Kamera und eine Frage des Blickwinkels

Oder: Leichte Einführungen in die Kameratechnik

Zum Einstieg ins Thema nutze ich sehr gerne folgenden Übungen.

Übung: Der Kamerakoffer

Ich bringe eine Tasche voller verschiedener Arten von Kameras mit. Da ist ein Smartphone dabei, eine Actioncam, ein alter Camcorder, eine Spiegelreflex, eine alte Digitalkamera, eine Einwegkamera und und und. Im Grunde alles, was sich so die letzten Jahre angesammelt hat. Ein Kind hatte auch mal eine Polaroidkamera dabei und ich hatte eine Lochbildkamera gebastelt und mitgebracht. Alle Verwandtschaftsgrade der Kameras sind erlaubt. Ich lasse die Kids die Sachen alle angucken, anfassen, rätseln, was das wohl alles ist und was die alle gemeinsam haben. Irgendwann kommen sie darauf, dass das alles Kameras sind und dann geht die Fragerei los: Was sind denn Kameras? Wie mache ich denn ein Foto? Ist ein Smartphone eine Kamera? Wie geht fotografieren damit? Was ist das Wichtigste bei den Kameras? Wie kann die Kamera denn was sehen? (Richtig, durch ihre Linse, ohne die geht gar nichts 😉 ).

Je nach Alter der Kinder und in welchem Fach ihr euch befindet, kann verstärkt auf die Kameratechnik eingegangen werden und mit Fachbegriffen wie Blende, Shutter, Iso, Belichtungszeit etc gearbeitet werden. Es kann auch über Licht, Lichtwellen, Lichtbrechung und Reflexion gesprochen werden und das menschliche Auge dabei zum Vergleich benutzt werden. Oft belasse ich es dabei, dass die Linse das Auge der Kamera ist und im Grunde funktioniert, wie unser menschliches Auge. Unser Blinzeln entspricht dem Klicken beim Auslösen der Kamera.

Spätestens jetzt frage ich nach den Rechten: Darf denn jeder einfach immer von dir ein Foto machen? Darfst du das? Und was ist, wenn ich ein Foto von euch mache und das Freunden schicke? Oder ins Internet hochlade? Das Recht am eigenen Bild ist ein Grundrecht, das früh genug entwickelt und verstanden werden sollte, zum Schutz der Kinder und für ein respektvolles, gesellschaftliches Miteinander. Wer ein Foto von mir will, muss mich fragen. So einfach ist das. Das müssen ALLE lernen und respektieren.

Übung: Was siehst du?

Alle Fotos sind mit Fotopreisen öffentlich ausgezeichnet worden und werden nur zu Bildungszwecken verwendet. Der Name der Fotografinnen steht auf der Rückseite der Fotos.

Eine der ältesten, einfachsten und sehr effektiven Übungen, die ich kenne, funktioniert tatsächlich über das reine Betrachten von Bildern. Ich bringe einen Schwung Fotos mit und lege sie aus. Jedes Kind sucht sich eins aus, zeigt es und erklärt, warum es sich genau dieses Bild ausgesucht hat. Was machen Bilder mit uns? Was sehen wir? Warum machen wir eigentlich Bilder? Wie ist das Bild aufgenommen worden? Von ganz nah oder weit weg? Von oben, oder von unten? Ganz einfach reden wir über „Perspektiven und Einstellungsgrößen“. Von Wo kann eine Kamera denn ein Bild machen? Von oben (Vogelperspektive), von unten (Froschperspektive) und normal von vorne (Normalperspektive). Vogel und Frosch merken sich Kinder meistens richtig lange 😉 . Wir können die Kamera auch anders positionieren und von ganz weit weg fotografieren (Panorama, Totale), und immer näher an unser Objekt ran gehen (Halbtotale bis Portrait) bis hin zum Detail. Das Verständnis über Einstellungsgrößen und Perspektiven erklärt Kindern, dass ein Foto immer ein Ausschnitt der Realität ist. Mit verschiedenen Positionen der Kamera können wir nicht nur interessantere und coolere Fotos machen, sondern drücken auch verschiedene Sachen aus. Manchmal müssen wir uns auch als Fotografinnen verbiegen und einfallsreich sein, um tolle Fotos zu machen.

Nicht alle Bilder, die wir sehen sind echt. Wie bekommt das Huhn seine Schuhe?

C Alte Postkarte

Bei meiner Bildauswahl achte ich immer auf verschiedene Blickwinkel, aber auch darauf, dass mindestens ein bearbeitetes Foto mit dabei ist. Denn: Sind alle Fotos echt, die wir sehen? Wie werden Bilder denn bearbeitet? Wo und warum werden Bilder denn besonders bearbeitet?

Der Kamerakoffer und die Fotoauswahl geben uns viele Möglichkeiten, über das Thema Bild zu reden. Sie veranschaulichen, warum wir eigentlich Bilder machen und wie Bilder gemacht werden. Sie geben auch Inspiration zum selber machen und ausprobieren. Fotografiere doch mal den gleichen Gegenstand aus verschiedenen Perspektiven und danach dich selbst und deine Klassenkameradinnen. Bei beiden Übungen gibt es viele Anknüpfungsmöglichkeiten für weitere Themen und Projekte, wie beispielsweise: professionelles fotografisches Handwerk, Funktionsweisen von Werbung, Wirkung und Macht von Bildern, Schönheitsideale, Persönlichkeitsrechte und Medienrechte, und und und.

Sich durch Fotos ausdrücken

Menschen sind visuell – nicht ohne Grund heißt es: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, Bilder können besser im Gedächtnis bleiben, als so manche Aussage. Wir sind jeden Tag mit Millionen Bildern konfrontiert – gewollt, nicht gewollt, manipuliert, unbearbeitet… Eine spielerische, leichte Auseinandersetzung mit und durch Fotos ist schon der erste Schritt zur Sensibilisierung- Fotoprojekte und Ausdrucksformen mit dem Medium gehen noch weiter. Warum machen wir denn Fotos? Wir möchten etwas zeigen, etwas festhalten, uns erinnern, etwas (schönes) einfangen, zum nachdenken bringen, Gefühle auslösen, lustig und kreativ sein, Geschichten erzählen, was bewegen…

Zeig mir deine Welt – Ideen für Fotoprojekte

Fototutorials.  Was kannst du gut? Zeige mir Schritt für Schritt dein Können in Fotos, sodass ich es selber auch machen kann. Und wenn du’s im Fototutorial erklären kannst, dann vielleicht auch im Video?

Fotostory. Manch einer kennt die Bravo-Fotostories. Sowas können wir auch. Denke dir eine kleine Geschichte aus, die du in mindestens fünf Fotos erzählen kannst. Du kannst die Bilder auch ausdrucken, auf ein Plakat kleben und mit Sprechblasen versehen. Oder eine App nutzen und einen Fotocomic erstellen. Hier sind wir dann auch recht schnell schon beim Stop Motion Film. Denn: viele Fotos hintereinander ergeben einen Film 😉

Fotowichtel. Super einfach und ein witziges Geschenk. Lustige Ganzkörperfotos machen, ausdrucken und auf Wäscheklammern oder Magnete kleben.

Fotowichtel

Statementfotos. Was hast du zu sagen? Was wünschst du dir? Wie soll die Welt sein? Was regt dich auf? Schreib’s auf ein Plakat und fotografiere dich damit.

Es gibt auch zahlreiche Internet-Aktionen, die Statementfotos nutzen. #notheidisgirl oder #keinbildfürheidi ist eine davon und regt zur #bodypositivity an.

Fotoshooting. Super lustig und lehrreich kann ein gemeinsames Fotoshooting sein. Bringt gerne Verkleidungen und Verrücktheiten mit und tobt euch mal vor und hinter der Kamera aus, wie ihr wollt. Welche Posen kennt ihr? Wie setzen wir uns in Szene und warum? Wie wirken wir auf den Bildern?

Dokumentarfotografie. Wie sieht deine Schule aus? Wie sieht der Frühling aus? Was siehst nur du? Schau dir alles ganz in Ruhe an und mache ein Foto. Und bedenke: Der Doku-Fotograf* möchte die Situation so echt wie möglich einfangen, also leise sein.

Rätselfotos. Mach doch mal eine Menge Detailfotos und lasse deine Freunde und Klassenkameraden raten, was du abgelichtet hast. Mal schauen, wie schnell sie auf die richtige Lösung kommen.

Mit einer Einführung in die Fotografie und einem kleinen Fotoprojekt kann in 2-3 Einheiten spielerisch das Thema „Bild“ und fast alles, was dazu gehört, behandelt werden. Im Anschluss kann sich dann dem Video gewidmet werden.

Was Kinder durch Fotos lernen können: Kinder lernen die Macht und Wirkung von Bildern kennen. Sie bemerken, dass Fotos (und damit auch Medien im Allgemeinen) etwas Menschengemachtes sind, und sie auch selbst in der Lage sind, sich durch Fotos auszudrücken. Sie lernen, dass Bilder Ausschnitte der Realität sind, dass verschiedene Blickwinkel und Bildgrößen besondere Wirkung erzeugen und Bilder auch interessanter machen. Sie lernen, dass Bilder auch bearbeitet werden können und manchmal gar nicht der Wirklichkeit entsprechen. Sie erfahren Selbstwirksamkeit im Fotografieren, aber auch im fotografiert werden. Fotografie schult das menschliche Auge, Dinge in der direkten Umwelt fallen auf, über die vorher hinweggesehen wurde. Sie lernen ihre Werke auch vor anderen zu präsentieren, sei es in einer Ausstellung oder so mal kurz vor den anderen Teilnehmenden.

Wichtige Hinweise für pädagogische Fachkräfte: Die rechtlichen Komponenten sind super wichtig! Das Recht am eigenen Bild sollte sitzen, wie auch die Folgen bei Verstößen und seine Besonderheiten bei Menschengruppen und bei Kindern. Vorher muss die Fotoerlaubnis der Kinder und der Eltern eingeholt werden und ohne weiteres Einverständnis der Eltern, dürfen die Bilder der Kinder nicht veröffentlicht werden. Auch müssen die Bilder von allen Geräten wieder gelöscht werden! Mit dem Recht am eigenen Bild hängt auch die Sensibilität zum fotografiert werden zusammen. Niemand muss vor die Kamera, der Erfahrung und Ermutigung halber, wird darauf jedoch hingearbeitet. Wichtig ist hier ein wertschätzender Umgang mit den Kindern und eine längerfristige Begleitung der Kinder. Wir alle sind schön, so wie wir sind, niemand muss sich verstecken, jeder von uns ist wichtig und richtig! Gut wären dennoch Plan Bs für Kinder, die nicht vor die Kamera wollen oder dürfen, es eignen sich auch Möglichkeiten zur Anonymisierung von Bildern, wie Verpixelung oder bei der Aufnahme wird direkt etwas vor das Gesicht gehalten. Basiswissen zu Einstellungsgrößen und Perspektiven und der technischen Funktionsweise von Kameras sind sehr nützlich und können sich leicht angelesen werden. Kameras für die Kinder werden benötigt. Das können hochwertige Spiegelreflex- und Systemkameras sein, aber auch der Klassensatz Tablets tut’s, sowie die eigenen Smartphones der Kinder. Wichtig ist, dass die Fotos anschließend bei der Lehrkraft landen! (Also SD-Karte + USB-Stick besorgen).



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