Teil 1: Redaktionelle Arbeit als Rahmen zur Medienkompetenzvermittlung
Dass ich die Medienpädagogin sein kann, die ich heute bin, habe ich meiner ersten Jugendredaktion zu verdanken: „DIGGA – die elektronische Schülerzeitung“. Diese Arbeit und vor allem die Erfahrungen mit den „DIGGA-Kids“ von damals, prägen mich bis heute. Dank dieser zwei Jahre, die wir miteinander verbrachten, kann ich nun hier mein Wissen mit euch teilen.
Es begann mit den Worten: „Wir machen ganz normalen Journalismus, nur halt mit Kindern und Jugendlichen“. Dass Schüli-Redaktionsarbeit aber so viel mehr ist, als das, sollte ich sehr schnell lernen.
Dieser Artikel ist Teil einer kleinen Serie, denn das Thema beschäftigt mich mittlerweile schon sehr lange, da wird ein Beitrag nicht ausreichen. Dieser Teil widmet sich ganz grundsätzlich der „redaktionellen Arbeit“ und der „Beitragsproduktion“. Beides ist aus dem Journalismus bekannt und beides eignet sich hervorragend zur Medienkompetenzvermittlung für Kinder und Jugendliche, innerschulisch und außerschulisch. (Und es schadet „Erwachsenen“ ganz bestimmt auch nicht).
Lass es uns mal ganz einfach durchgehen und stelle Dir vor:
Deine Aufgabe ist es, einen Beitrag über ein Thema zu verfassen, das dich interessiert. Der Beitrag wird veröffentlicht.
Was machst du zuerst? Du schaust dir deine Lebenswelt an und beginnst sie zu erforschen, denn das Leben schreibt bekanntlich die besten Geschichten (und wahrscheinlich bist du zu faul, um was richtig Aufwändiges zu machen). Was kannst du gut? Was magst du? Was wolltest du schon immer mal wissen? Worüber ärgerst du dich?
Erfahrungshinweis aus der Praxis für Padagog!nnen: Ich bin immer wieder erstaunt, wie blockiert Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene sein können. Bei einer so frei gestellten Aufgabe haben viele oft keine Ideen, keine Inspiration oder können sich vieles nicht als Thema vorstellen – verständlich bei einem so vollgestopften Leben und so viel Druck. Um die wichtigen Herzensthemen zu finden braucht es Zeit, viel Fingerspitzengefühl, eine starke Bindungsarbeit, Ermunterung und Hinweise auf die individuellen Interessen und Hobbys. Hilfreich ist auch, zunächst mit kleinen, naheliegenden Themen zu beginnen, um die Möglichkeiten erst einmal kennenzulernen. Bei gegenseitigem Vertrauen und Motivation, kommen die spannenden Themen von ganz alleine.
Du beginnst also zu recherchieren und nach Infos zu deinem Thema zu suchen. Natürlich nutzt du das Internet – wusstest du, dass du auch mehr, als googlen kannst? Du liest dich durch Artikel und Websites, schaust Videos, hörst Podcasts, aber du fragst auch Freunde, Familie, vielleicht auch Fremde auf der Straße, oder rufst bei Fachmenschen an. Du vergleichst die verschiedenen Aussagen und schaust dir dein Thema von vielen verschiedenen Seiten an. Du eignest dir Wissen an- persönlich für dich – und auch für andere. Du beginnst dein Wissen festzuhalten, erst einmal in Stichworten und Links, um es dann langsam in deinem Medium zu bearbeiten. Du befindest dich schon Mitten in der journalistischen Arbeit.
Wie willst du dein Thema anderen nun erzählen? Es kann ein Video sein, ein Artikel in einer Zeitung oder auf einem Blog, ein Radio- oder Podcaststück, ein Plakat auf einer Wandzeitung, eine Fotostrecke, ein Comic, was auch immer. Es kann künstlerisch und umgangssprachlich sein oder ein sachlicher Bericht. Es kann auch medienübergreifend sein: Also ein Artikel mit Video und Audio.
Wichtig ist nur, dass sich dein Thema mit dem Medium ausdrücken lässt. Leider ist das oft abhängig von deinem Perfektionismus und dem Qualitätsanspruch, aber auch davon, welche Technik vorhanden ist, ob du die Technik schon beherrschst, oder es noch lernen musst und wie viel Zeit du insgesamt hast. Videos sind oft am aufwändigsten zu erarbeiten. Aber: Zeit zu investieren und auszuprobieren lohnt sich immer!
Erfahrungshinweis aus der Praxis für Pädagog!nnen: Um Kindern und Jugendlichen alle medientechnischen Möglichkeiten zu bieten, eignet sich als gemeinsames Redaktionsmedium der Online-Blog am besten. Hier kann geschrieben werden, Bilder, Videos und Ton eingefügt werden – Erlernen der Funktionsweisen des Internets inklusive. Im Endeffekt ist der Blog die Online-Ausgabe der klassischen Papier-Schülerzeitung. Allerdings gibt es dabei enorme Hürden, was das Medienrecht von Kindern und Jugendlichen in der Internet-Öffentlichkeit angeht, was durchaus sehr berechtigt ist. Möglich sind geschützte Varianten, die Ankopplung an Projekte wie DIGGA, oder offline-Varianten: Wie z.B. eine klassische Schülerzeitung oder eine Wandzeitung, die als Blog funktioniert. Ein Schulradio ist natürlich auch eine Option. Davon abgesehen, können Videos – Fotos und Audios natürlich immer auch komplett schulintern und bearbeitet und behalten werden.
Nun bereitest du dein Wissen und dein Thema mit deinem gewählten Medium auf und gibst es weiter. Mach das mal so, wie du es gut finden würdest, du bist die Expert!n für das Thema! Du veröffentlichst deinen Beitrag, zeigst ihn anderen, vielleicht bekommst du sogar Feedback.
Na, hat’s ein bisschen Spaß gemacht und du hast super viel gemacht und gelernt?
Jetzt stell dir mal vor, du hast einen Ort, wo du regelmäßig (oder auch nur ab und zu) über deine Themen in deinen eigenen Formaten berichten kannst, verschiedene Medien ausprobieren kannst, ein paar Gleichaltrige und Freunde dabei hast, mit denen du zusammen produzierst. Und vielleicht ist auch noch eine engagierte Begleitperson und Ansprechpartner!n mit dabei, die ein bisschen Ahnung hat, einiges erklären kann und ansonsten für alles offen und zu begeistern ist. Klingt eigentlich gar nicht so schlecht, oder?
Mit der Arbeit an EINEM Beitrag für die Schüli-Redaktion bekommst du: Recherchekompetenz, Fachkompetenz zu einem Thema, Präsentationskompetenz, Handhabungskompetenz, Teamkomptenzen, Organisationskompetenzen und natürlich Medienkompetenz.
Im Endeffekt ist die Arbeit an einem redaktionellen Beitrag nicht groß anderes, als ein Referat zu erarbeiten, aber halt irgendwie cooler. 😀
Erfahrungshinweis aus der Praxis für Pädagog!nnen: A propos Referate oder Arbeiten der Schülis in der Schule: Die Sachen könnten gleich ins Schulmedium mit eingebunden werden. Natürlich könnte auch anstelle eines abgelesenen Referats ein Beitrag für die Schüli-Redaktion erarbeitet werden – so im Sinne des Mehrwerts und der Nachhaltigkeit!
So ein gemeinsames Medium muss schließlich gepflegt werden und aktualisiert werden. Dieses gemeinsame Medium, von Schülis für Schülis, kann mit der Zeit wachsen und viele verschiedene Themen in den verschiedensten Formen beinhalten. Somit wird ein schöner Rahmen mit vielen Anlässen geschaffen, um den Umgang mit Medien direkt in der Praxis zu lernen.
Als letztes noch an dieser Stelle: Die redaktionelle Arbeit bietet zwar einen großartigen Rahmen für die Medienkompetenzvermittlung, allerdings kann sie auch nur als Ergänzung zu anderen Angeboten gesehen werden.
Realistisch gesehen, können „Redaktionssitzungen“ nur einmal die Woche stattfinden und etwa zwei Stunden dauern. Ab und an und je nach Möglichkeit, kann (und sollte) sich auch außerhalb der Redaktionssitzung getroffen und produziert werden. Bei dem Pensum, das Kinder und Jugendliche zu bewältigen haben, ist das schwierig.
Erfahrungshinweis aus der Praxis für Pädagog!nnen: Sich nur einmal pro Woche in „einem Fach“ mal kurz mit Medienproduktion, den Funktionsweisen der Medienwelt und den eigene Themen auseinander zu setzen, reicht für ein tiefgreifendes Verständnis nicht ganz aus. Nachhaltige und langfristige medienpädagogische Arbeit findet zusätzlich auch in anderen Fächern und in andere Themenfeldern und Angeboten statt.
In weiteren Beiträgen zu dem Thema werde ich mich mehr mit dem WIE auseinander setzen, über meine Erfahrungen mit verschiedenen Altersgruppen und Techniken schreiben und vielleicht auch auf die ein oder andere Arbeit verweisen.
No responses yet