Einige von euch werden es schon mitbekommen haben, dem Internet stehen große Veränderungen bevor. Natürlich ist das Internet auch jetzt schon kein rechtsfreier Raum – es gibt gesetzliche Regulierungen, die in den letzten Jahren entwickelt wurden und gelten. Im Grunde können wir beginnen, uns von unseren alten Bildern der Anonymität, der Kostenloskultur und des schnellen selbstgemachten „User Generated Content“ zu verabschieden, oder?

Ich selbst bin keine Expertin zu diesen Themen, da gibt es ganz andere großartige Menschen, die euch und mir das alles erklären können. Ich stelle euch eine Auswahl von Beiträgen vor, damit ihr am Ende informiert seid und wisst, was gerade so abgeht :). Wundert euch nicht, dass ich viele Infos zur Kritik am Gesetzesvorhaben verlinke – die Befürworter!nnen der Reform sind in ihrer Diskussion klar, sie stehen ja hinter dem Gesetzesentwurf.

Die neue EU-Urheberrechtsreform

Im Grunde geht es um die Frage: Wer wie im Internet Geld verdienen kann. Mit der Digitalisierung kamen neue Berufe auf, viele kreative Menschen haben neue Wege und Plattformen wie z.B. YouTube gefunden, um ihre Inhalte an die Öffentlichkeit zu bringen, früher brauchten sie dafür die Verlage. Das Problem dabei ist zum Einen die Frage nach den Urhebern und ob die Geld verdienen können, wenn andere Menschen ihre Musik für ihre Videos benutzen oder aus ihren Fotos Memes machen. Zum anderen geht es auch um die Plattformen an sich – die zwar Monopole aufbauen, aber weder Steuern, noch Abgaben an die Schaffenden zahlen. Um diese und noch weitere Fragen zu klären wurde lange in der EU diskutiert und überlegt und schließlich eine Richtlinie erarbeitet, über die nun Ende März 2019 im EU-Parlament abgestimmt wird. Gegen einzelne Inhalte dieser Reform erhebt sich aber enormer Widerstand, am 23. März 2019 waren deutschlandweit etwa 200.000 Menschen auf der Straße, europaweit noch mehr. Dabei geht es nicht darum, dass es keine neue Regelung des Urheberrechts geben soll – es soll nur nicht DIESE Regelung geben. Viele Menschen befürchten eine Zensur des Internets, die Abschaffung der Meinungsfreiheit und einen enormen Verlust der Diversität und Netzkultur. Besonders umstritten sind die Artikel 11-13. Aber auch immer mehr Artikel 6, wobei terroristische Inhalte aus dem Netz gefiltert werden sollen. Worum’s genau geht, könnt ihr hier nachlesen, hören, sehen und euch euer eigenes Bild machen.

Ihr könnt euch den Originalentwurf natürlich selbst durchlesen. Ansonsten gibt’s auch ein paar gute Tutorials.

Artikel 11 – Das Leistungsschutzrecht

Im Leistungsschutzrecht geht es um journalistische Inhalte und die Position der Verlage.

Artikel 12 – Verwertungsgesellschaften

Artikel 12 behandelt die Verwertungsgesellschaften, wie die VGWort oder die GEMA, die die Einnahmen von Urheber!nnen und Verlagen klären soll.

Artikel 13 – Uploadfilter

Artikel 13 wurde vor allem bekannt, weil viele YouTuber!nnen den bevorstehenden Tod von YouTube prophezeiten und viele Kinder und Jugendliche auf den Plan riefen. Die Debatte über Uploadfilter und mögliche Zensur wurde entfacht – Artikel 13 ist der bekannteste und unbeliebteste Artikel dieser Reform, da ändert sich auch nichts, wenn er jetzt Artikel 17 heißt.

Diskussionen

Irgendwie waren wohl die meisten EU-Abgeordneten geschockt und irritiert, dass sich so viel Kritik an ihrem Vorhaben regte – schließlich soll ja alles besser werden und die „kleinen Künstler!nnen“ gestärkt werden gegen die großen, bösen Plattformen. So wurde wütend auf eine Desinformations- und Fake News-Kampagne geschimpft, die den Prostest ausgelöst haben soll. Auch wurden die Demonstrierenden als uninformiert, als „Bots“ oder gesteuerter „Mob“ verunglimpft und zunächst nicht ernst genommen. Komische Mechanismen versuchte die Fraktion der Europäischen Volksparteien (EVP) zu starten, indem sie versuchte die Abstimmung über die Reform vorzuverlegen und es kursierte ein Video des EU-Parlaments, das die Reform bejubelte – dessen Hintergründe auch recherchiert wurden. V Die Verwirrungen wurden nach und nach aufgeklärt, besonders dazu beigetragen hat auch die EU-Abgeordnete Julia Reda.

Julia Reda ist in Deutschland wohl die bekannteste EU- Abgeordnete, die sich gegen die Urheberrechtsrichtlinie (in ihrer jetzigen Form) einsetzt. Auf ihrem Blog informiert sie über den Gesetzesentwurf auf verschiedenen Sprachen und zudem umfassend über die gesamte Thematik. Sie ist auch auf Twitter und auch auf ihrem YouTube-Channel zu finden. Weiterer deutschsprachiger Verfechter gegen diese EU-Richtline ist Tiemo Wölken. Auch er ist auf Twitter und YouTube zu verfolgen.

Deutschlandfunk hat auch kontrovers diskutiert im Beitrag „Streit um Uploadfilter Hass und Lügen im Netz“ mit Julia Reda, Frank Überall und Prof. Marc Ziegele. Außerdem gibt es noch viele weitere DLF Beiträge zur EU-Urherberrechtsreform zum nachlesen und nachhören.

Netzpolitik.org berichtet seit Jahren über netzpolitische Themen und natürlich auch umfassend zu der EU-Reform. Der Verein DigitalCourage setzt sich seit vielen Jahren für Netzthemen wie Datenschutz und digitale Selbstverteidigung ein und informiert darüber- zum Beispiel auch über Artikel 6 der EU-Richtlinie.
Sehr viel zur Wort gemeldet zu dem Thema hat sich auch Kolumnist Sascha Lobo. Ob per Text in seiner SpiegelOnline- Kolumne Mensch-Maschine oder im Debatten-Podcast. Sämtliche Medienunternehmen haben auf unterschiedliche Weise zu dem Thema informiert, es lohnt sich auch nochmal ein eigenständiges Recherchieren in den Weiten der Medienlandschaft. Habt ihr was Gutes? Postet es gerne unter dem Artikel.

Fazit

Ganz egal, wie wir persönlich zu dem Thema stehen und wie die ganze Sache ausgehen wird, eines hat die ganze Debatte durchaus gezeigt: Die europäische Bevölkerung wird politisch aktiv. Kaum ein anderes Thema aus dem EU-Parlament hat es geschafft, so kontrovers diskutiert zu werden in medialen Öffentlichkeit und auf der Straße. Politiker!nnen wie Julia Reda und Tiemo Wölken haben es durch das Internet geschafft, die Arbeit des Parlaments transparent zu machen und zur Teilhabe aufzurufen. Durch verschiedene Plattformen wurde die Teilhabe auch ermöglicht, sei es über Petitionen auf change.org , über pledge.eu, wo EU-Abgeordnete direkt angerufen werden können oder über Botbrief.eu, worüber Briefe an Abgeordnete geschickt werden können. #s auf den Sozialen Medien ermöglichten, viele verschiedene Menschen zu erreichen. Über #SaveYourInternet, #s zu den einzelnen Artikeln wie #Artikel13, #Artikel11, #Artikel6 und viele weitere themenbezogene #s wurde sich informiert, sich ausgetauscht und gesammelt. Verschiedenste Akteur!nnen der Netzwelt kamen zusammen, diskutierten, informierten und gingen auch zusammen auf die Straße – mit einer beeindruckenden Anzahl von Menschen. Ein bunter, europaweiter, riesiger Protest der Zivilgesellschaft zu einem geplanten Gesetzesvorhaben- das hatten wir vielleicht zuletzt bei ACTA. Das alles zeigt im Grunde: Demokratie in Europa ist machbar! Alle Menschen können ihre Abgeordneten direkt kontaktieren und gemeinsam auch Einfluss auf die Abstimmungen nehmen. Mal schauen, wie’s ausgeht.

Update: Am 26.03.2019 hat das EU-Parlament der neuen Richtlinie zugestimmt.

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